Barbarenmusik | (schwer) | |||
Man muss nicht das gesamte folgende Zitat lesen, um rauszukriegen, worauf der Autor hinauswill. | ||||
Wenn man bedenkt, dass unter allen Völkern, die ja alle eine Musik und einen Gesang haben, nur die Europäer Harmonie, Akkorde, haben, und dies angenehm finden; wenn man bedenkt, dass die Welt schon so lange existiert, ohne dass eins der vielen Völker, die die Künste kennen, die Harmonie entdeckt hätte; dass kein Tier, kein Vogel, kein Wesen in der Natur etwas anderes hervorbringt als das Unisono, keine andere Musik als die Melodie; dass die so klangvollen und musikalischen orientalischen Sprachen; dass die griechischen Ohren, so fein, so sensibel, in allen Künsten so geübt, diese sinnlichen und leidenschaftlichen Völker nie zur Harmonie geführt haben ... | ||||
Rousseau | ||||
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KommentarQuand on songe que, de tous les peuples de la terre, qui tous ont une Musique et un Chant, les Européens sont les seuls qui aient une Harmonie, des Accords, et qui trouvent ce mélange agréable; quand on songe, que le monde a duré tant de siècles, sans que toutes les Nations qui ont cultivés les beaux Arts, aucune ait connu cette Harmonie; qu’aucun animal, qu’aucun oiseau, qu´aucun etre dans la Nature ne produit d’autre Accord que l’Unisson, ni d’autre Musique que la Mélodie; que les langues orientales, si sonores, si musicales; que les oreilles Grecques, si délicates, si sensibles, exercée avec tant d´Art, n’ont jamais guidé ces peuples voluptueux et passionés vers notre Harmonie; ...Wenn man also das alles bedenkt, kann man doch nur zu dem Schluss kommen, dass die Europäer etwas ganz Besonderes sind und die „Harmonie“, die musikalische Mehrstimmigkeit, eine großartige Errungenschaft ist – wie so vieles andere, was die Europäer geschaffen haben. Oder nicht? |
18. Jhd. | |||
Autor und Werk | ||||
Jean Jacques Rousseau, 1712-1778, der übrigens auch Verfasser eines erfolgreichen Singspiels (einer kleinen Oper) war. | ||||
Lösung | ||||
Rousseau ist immer für Überraschungen gut. Wenn man all das oben Aufgeführte bedenkt, meint er im gleichen langen Satz, dann kann man eigentlich nur zu dem Schluss kommen, dass die europäische Mehrstimmigkeit keineswegs eine herausragende Errungenschaft ist – denn all die anderen, inklusive der Natur, können doch nicht Unrecht haben –, sondern: une invention Gothique et barbare. Mittelalterlich und barbarisch ... Dabei ist diese Frage, weshalb sich – es ist wohl richtig – die Mehrstimmigkeit nur in Europa entwickelt hat, wirklich eine der interessantesten im globalen Kulturvergleich. Man hat ja auch manchmal den Eindruck, dass die Europäer sozusagen in ihrer Musik am europäischsten sind. | ||||
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20190422 | ||||
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