Textarbeit

Wie man aus Texten das Beste macht.

Was tun Sie, wenn Sie einen Text gelesen und vielleicht die Fragen dazu beantwortet haben? Sicher dasselbe wie die meisten Deutschlernenden, nämlich das Buch zuklappen und den Text, mit allen Fragen und neuen Wörtern, so schnell wie möglich wieder vergessen. Wenn Sie das für den einzig angemessenen Umgang mit Lesetexten halten, brauchen Sie den Rest dieses Artikels nicht zu lesen; bzw. sollten Sie unbedingt den Rest dieses Artikels lesen – je nachdem, ob Sie sich „eines Besseren belehren“ lassen wollen – oder nicht.

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Warum (nicht) Europa? (2)

Die schöne Europa und was noch folgte.

„Warum Europa?“ ist also ein Buchtitel, mit Untertitel: „Mittelalterliche Grundlagen eines Sonderwegs“. Aber die Frage lässt sich auch anders komplettieren, z.B.: „Warum heißt Europa Europa?“ Die Antwort, das haben wir schon angedeutet, findet man im Nahen Osten.

Europa war nämlich der Name einer schönen Prinzessin aus dem alten Phönizien. Sie war eins der vielen Opfer des griechischen Göttervaters Zeus. Der sah sie am Strand, verliebte sich in sie und verwandelte sich listigerweise in einen schönen Stier. Europa sah den Stier, verlor bald ihre Furcht, setzte sich sogar auf seinen Rücken. Der Stier entführte sie, durchs Meer schwimmend, nach Kreta, wo sie dann „eine Familie gründeten“. Jedenfalls bekam Europa ein paar Kinder vom Obergott.

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Corona und das Adjektiv

Über nützliche und weniger nützliche Adjektive und über die Zukunft der Menschheit.

Für viele aus dem Lateinischen stammende Grammatikwörter gibt es deutsche Entsprechungen, die wir in der Schule lernen. Das Nomen heißt Hauptwort, das Verb Zeitwort oder Tunwort, der Kasus Fall usw. Haben Sie eine Idee, wie man das Adjektiv auf Deutsch benennen könnte? Der lateinische Ausdruck sagt, dass es ein „beigefügtes“ Wort ist, also etwas, was man zu etwas anderem dazugestellt hat. Aber das deutsche Wort bezieht sich auf ein anderes, nämlich inhaltliches Merkmal der Wortart. Also: Wenn man mit dem Namen ausdrücken möchte, was Adjektive gewöhnlich bezeichnen, wie müssten sie heißen?

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Warum (nicht) Europa? (1)

Einige Fragen zum Thema Europa.

Die Europäer – oder Westler – befassen sich schon ziemlich lange mit der Frage, weshalb – wie sie glauben – die moderne Welt gerade in Europa angefangen hat.

In klassischer Form hat die Frage der berühmte Soziologe Max Weber formuliert. Wie kommt’s, fragt er, in einem ziemlich langen und schwierigen Satz, den wir nicht wörtlich wiederzugeben brauchen, wie kommt es, dass gerade im Westen bestimmte Phänomene zuerst aufgetreten sind, die sich dann in der ganzen Welt verbreitet haben: der Kapitalismus, die modernen Nationalstaaten mit ausgebauter Bürokratie, die Industrialisierung, aber auch die perspektivische Malerei, die mehrstimmige Musik, und Einiges mehr. (Die Weber-Frage finden Sie hier auf meiner Webseite: Warum Europa?)

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DaF-Tabu Religion

Gibt es Themen, die man im DaF-Unterricht unbedingt meiden sollte?

Warum essen Muslime kein Schweinefleisch? Und kann man in einer DaF-Klasse mit muslimischen Teilnehmern über Fragen wie diese sprechen – obwohl Religion eigentlich tabu ist? Frage zwei ist leichter zu beantworten als Frage eins, deshalb beginnen wir mit dieser.

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Vergleiche

Ein Problem der DaF-(Lehrwerk-)Grammatik ist ihr Konservatismus (freundlich ausgedrückt). Vieles darin schmeckt irgendwie noch nach Lateinunterricht, nach einer zweitausend Jahre alten „Schulgrammatik“. Man findet darin keine Entwicklung, keine originellen Ansätze; nicht einmal da, wo die tradierte Darstellung Fehler geradezu provoziert.

Ein Beispiel ist die grammatische Realisierung von Vergleichen. Fragt man in einem B-2-Kurs Gleichsetzungskonstruktionen ab, erhält man fast immer falsche Antworten. Probieren Sie’s selbst. Wie formuliert man Folgendes elegant als Vergleich?

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Die AfD und die „Deutschen“

Oder: extrem(istisch)e Komplexitätsreduktion

Alle nur ein wenig komplexeren Abläufe oder Situationen lassen sich auf vielfältige Weise beschreiben. Von einem gemeinsamen Waldspaziergang werden zwei Menschen ziemlich unterschiedliche Berichte geben. Zwei Beschreibungen derselben Straßenszene fallen sicher verschieden aus. Und wenn erst noch Wertmomente ins Spiel kommen, werden aus perspektivischen Differenzen leicht konfliktträchtige Meinungskonstraste. In der Frage zum Beispiel, ob eine gegebene soziale Ordnung gerecht ist, also alle Mitglieder der Gesellschaft fair behandelt, wird sich niemals Einigkeit erzielen lassen. Keine Beschreibung der Gesellschaft wird je allseits konsensfähig sein, und wenn sie es wäre, könnten sich doch nie alle auf eine gemeinsame Beurteilung des gegebenen Zustands verständigen.

Was es durchaus geben kann, ist aber ein Konsens im Negativen, also solche Beschreibungen, die für jedermann erkennbar inadäquat sind. Jedenfalls glaubte man das bis zur Präsidentschaft Trump. Aber selbst Trump und seine Fans würden, im Konsens mit allen AmerikanerInnen, kein Bild akzeptieren, in dem ihr Land als von Nomadenstämmen durchzogene Steppe dargestellt ist – auch wenn es einzelne „Nomaden“ auf vier Rädern geben mag.

Es muss also doch Beschreibungen von Gesellschaften geben, die näher bei der Wahrheit sind als andere, auch wenn man diese – die Wahrheit – nie ganz zu packen bekommt. Ob bestimmte Beschreibungen akzeptiert werden, hängt aber nicht nur von ihrer Realitätsnähe ab. Auch ziemlich absurde Lagebilder haben Chancen, sich durchzusetzen, wenn sie nur gewisse Bedürfnisse eines bestimmten Adressatenkreises befriedigen.

Die allerprimitivsten von diesen „Narrativen“ findet man im rechten ideologischen Lager. Das politische Geschehen stellt sich dort als Daseinskampf eines Kollektivs dar, nämlich der sogenannten „Deutschen“, die aber mit real existierenden Menschen des 21. Jahrhunderts nichts zu tun haben. Man denkt sie sich eher nach dem Muster eines alten Germanenstammes. Ihre politische Umwelt bilden andere, feindlich gesinnte Mächte – damals die Römer oder andere Völker oder die Götter, heute die Eliten, das System, die Altparteien, die Juden, die EU, Bill Gates usw. Diese zusammen oder ein paar davon sorgen mit allen möglichen unfairen Mitteln dafür, dass „die Deutschen“ gegenüber allen anderen bei jeder denkbaren Gelegenheit benachteiligt und übervorteilt werden. Vor allem stopfen die Götter usw. nämlich den Ausländern alles mögliche hinten rein, was „den Deutschen“ vorenthalten wird. So kriegen sie, die „Ausländer“ also (in Anführungszeichen, weil auch diese, so wie die Rechten sie darstellen, mit real existierenden Menschen nicht das Geringste zu tun haben), viel leichter eine Wohnung oder einen Job und leben überhaupt, wahrscheinlich dank ihrer Götter- oder Eliten- oder Bill-Gates-Nähe, trotz und mit ALG 2 wie im Paradies.

Man erkennt leicht, wie angenehm solche „Komplexitätsreduktion“ fürs Gemüt / die Psyche ist. Erstens ist man geborgen in der eigenen, verfolgten Gruppe, gehört so richtig innig wo dazu. Zweitens steht man im Zentrum der Welt, da ja alle Feinde ständig den Blick auf einen geheftet haben, als wären es lauter hypnotisierende Schlangen um ein armes Kaninchen herum. Schließlich braucht man für die eigene Misere kein Quentchen Verantwortung zu übernehmen, weil man ja gegen die Übermacht der Anti-„Deutschen“-Verschwörung ohnehin nicht die geringste Chance hat. „Die Deutschen“ sind also ein völlig imaginäres ideologietriefendes Kunstprodukt einerseits, ein unübertreffbarer geistig-moralischer Komfort- und Wellnessort andererseits, und gehören insofern eigentlich in die Trivialliteratur bzw. in die Bewegungstherapie, haben sich aber leider in die Politik bis hinein in den deutschen Bundestag verirrt.

Lokamote

Wenn Sie im Unterricht immer gut aufgepasst haben, müssten Sie sich über folgenden Satz wundern:

Ich hab in Italien wegen der häufigen Restaurantbesuche in drei Wochen zwei Kilo zugenommen.

Warum wundern? Weil es nicht ins „tekamolo“-Schema passt, das bei Deutschlehrern so beliebt ist, dass sie es stunden- und tagelang erklären und üben lassen. Und hier wie so oft in DaF wundert man sich, dass niemand bemerkt, dass es erstens oft nicht stimmt und dass es zweitens ziemlich nutzlos ist.

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Die „Adjektivdeklination“ ist lernbar (1)

Kann man als Nicht-Muttersprachler die berüchtigte Adjektivdeklination überhaupt lernen? Und zwar wie?

Die „Adjektivdeklination“, das Schema der Formen von Artikelwörtern und Adjektiven in der Nomengruppe, ist lernbar. Dafür sind nicht nur deutsche Muttersprachler ein (etwas unfairer) Beweis, sondern auch die paar Deutschlernenden, die es tatsächlich geschafft haben.

Was aber nicht bedeutet, dass die Adjektivdeklination in der Form lernbar ist, in der sie gewöhnlich präsentiert wird. Nämlich in drei Tabellen, einer für den bestimmten, einer für den unbestimmten und einer für den Nullartikel, ingesamt ein paar Dutzend Tabellenkästchen. Die Behandlung der Adjektivdeklination ist einer der traurigsten Beweise für die methodische Einfalt und Gedankenlosigkeit der heute praktizierten DaF-Didaktik.

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Wörter lernen

Ein für Sprachlerner besonders wichtiges und von der DaF-Didaktik leider vernachlässigtes Thema.

Wie lernt man am besten Wörter, und welche Wörter soll man lernen? Ein paar knappe Bemerkungen zu zwei für den Lernerfolg entscheidenden Fragen.

Die zweite Frage werden Sie vielleicht merkwürdig finden. Wenn man eine Sprache gut lernen will, sollte man natürlich alle Wörter dieser Sprache lernen. Wie viele Wörter gibt es aber? Der Wortschatz von Goethe, unserem ‚Nationaldichter‘, liegt bei knapp 100 000. Für den Alltag reichen aber schon ein paar tausend. Um Zeitung lesen zu können, brauchen Sie vielleicht fünf- oder sechstausend, je nach Niveau der Texte. Aber wenn es fünftausend Wörter wären, die man verstehen und vielleicht verwenden können muss (z.B. um eine B-2- oder C-1-Prüfung zu bestehen): ist das nun viel oder wenig?

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