Was ist Esoterik?

Ein merkwürdiges Phänomen, das auch seine bedenklichen Seiten hat.

Europäer oder andere Westler haben keine Schwierigkeiten mit dem Begriff der Esoterik. Das Phänomen existiert ja überall, und die Wörter dafür klingen ähnlich wie das deutsche. Anders bei Menschen aus ferneren Kulturen, für die Esoterik oft etwas Rätselhaftes ist. Obwohl manche dieser fernen Kulturen vieles zu ihr beitragen.

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Warum sollte man sich für Esoterik interessieren? Aus mehr als einem Grund. Einem aktuellen zuerst. Wer ein bisschen über das Geschehen rund um die große „Pandemie“ informiert ist, hat sicher auch von den Protesten gegen die Corona-Schutzmaßnahmen gehört. An diesen Demonstrationen sind auch Leute aus irgendwelchen Esoterik-Szenen beteiligt; manchmal in vorderster Reihe und Seite an Seite mit Rechtsextremisten. Und da die Freunde unserer Feinde auch unsere Feinde sind, ist das schon ein wichtiger Grund, sie kennenzulernen.

Aber die Esoterik ist von Haus aus kein politisches Phänomen, und es sind auch lange nicht alle EsoterikerInnen politisch rechts orientiert. Allerdings gibt es Gemeinsamkeiten zwischen bestimmten esoterischen Lehren oder Grundüberzeugungen und rechter Ideologie. Siehe unten.

Zur Generalorientierung. Wenn man Esoterik irgendwie in eine Landschaft von Begriffen einsortieren müsste, wäre ihr Platz in der Nähe von Religion, Aberglauben, Magie und Philosophie. Fest zum esoterischen Bestand gehört zum Beispiel die Astrologie, die heute die meisten Menschen im Westen als eine Form des Aberglaubens betrachten, die aber früher auch eine wichtige Rolle innerhalb philosophischer, religiöser und magischer Weltentwürfe spielte; manchmal auch heute noch.

Esoteriker sind also z.B. Leute, die Astrologie für seriös halten, sich gründlicher damit beschäftigen, und sich in irgendeiner Form an astrologischen Auskünften orientieren. Die Astrologie übernimmt also für sie eine Funktion wie für andere Menschen eine religiöse oder vielleicht eine philosophische Lehre, die ihnen als Kompass in wichtigen Fragen der Lebensführung dienen.

Neben der Astrologie interessieren sich EsoterikerInnen z.B. für Naturheilkunde (-medizin) und glauben an die Wirkung wirkstofffreier (homöopathischer) Medikamente; oder für Parapsychologie oder die Archetypen von C.G. Jung; sie glauben an Geister und Hexen oder daran, dass Schamanen fliegen können; sie treiben Yoga und studieren das chinesische I Ging; die Erde (Gaia) ist für sie ein lebendiges, beseeltes Wesen. Sie gehen in den Wald, um Bäume zu umarmen und um nach „Kraftorten“ zu suchen, an denen besondere Energien spürbar werden. Neben den überirdischen Energien lieben sie ganz besonders irgendwelche Basis-Polaritäten à la Yin und Yang, interessieren sich aber für deren ursprünglichen kulturellen Kontext nur selten.

Die vielen Spielarten der Esoterik haben einen gemeinsamen Nenner. Es geht immer um „Ganzheitlichkeit“, um Einheit von Körper und Geist, von Natur und Menschenwelt, um eine Überwindung des westlichen „Rationalismus“, also die einseitige Vernunftbetonung, die unser Leben so verarmt und alles Spirituelle daraus vertrieben hat. Im Universum der Esoteriker ist dagegen alles mit allem verbunden und deshalb alles möglich.

Man darf sich Esoteriker nicht als eine scharf vom Rest der Gesellschaft abgetrennte Gruppe vorstellen. Das sind sie ebenso wenig wie Fußballfans, Freizeitgärtner, Literaturfreunde oder Kirchenmitglieder. Allerdings müssen Esoteriker gelegentlich etwas Spott wegen ihrer exzentrischen Überzeugungen ertragen; das begünstigt sicher die Abwendung von den skeptischen Massen, von den materialistischen Durchschnittsmenschen ohne Interesse für „Höheres“, und die Hinwendung zur esoterischen community.

Es gibt mittlerweile eine Art Esoterik-Industrie, die mit allen möglichen Publikationen, Veranstaltungen und Gerätschaften einen Jahresumsatz von weit über 20 Milliarden Euro erzielt.

Mit der „Esoterik“ ist es sicher ähnlich wie mit vielen anderen Begriffen oder Phänomenen, die in der eigenen Kultur nicht vorkommen. Man kennt und versteht sie erst, wenn man viel Umgang damit hatte, sie in vielen Kontexten und Bezügen erlebt und aus vielen Perspektiven betrachtet hat. Wenn man sie also in den kulturellen Gesamtkontext einordnen kann. Erst dann kann man auch eine eigene Haltung dazu einnehmen.

Bis dahin sollte man nicht vergessen, dass esoterische Überzeugungen oft eine fast totale Ablehnung der „Errungenschaften“ der westlichen Moderne einschließen. Und zu diesen Errungenschaften gehören natürlich auch Demokratie und Rechtsstaat. Von beidem halten bekanntlich auch die Nazis, die Rechtsextremisten, nicht viel. Aber wie gesagt: beileibe nicht alle Esoteriker sind Rechte, und auch nicht alle sind dumm, naiv oder skrupellos genug, mit Nazis gemeinsame Sache zu machen, ohne selbst welche zu sein.

Aber Anlass zu Skepsis und Vorsicht ist bei allem Esoterischen geboten, und ganz besonders dann, wenn Übergriffe ins politische Feld erfolgen. Vom Guru zum Führer ist oft kein weiter Weg.

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