Ist Deutschland eigentlich ein Einwanderungsland?
Die Bundesrepublik Deutschland ist kein Einwanderungsland. Sie versteht sich als ein Aufenthaltsland für Ausländer, die in der Regel nach einem mehr oder weniger langen Aufenthalt aus eigenem Entschluss in ihre Heimat zurückkehren.
Bund-Länder-Kommission
Kommentar
Bevor man in Deutschland anfing, über die Frage zu diskutieren, ob der Islam zu Deutschland gehört, hatte man schon dreißig Jahre lang gestritten, ob Deutschland ein Einwanderungsland ist. Das war sozusagen die frühere Version der Frage aller Fragen.
Daneben gab es noch die Diskussion um die Leitkultur, mit gleicher Funktion. Sie wurde von Friedrich Merz eröffnet, der vielleicht bald wieder eine wichtigere Rolle in der deutschen Politik spielen wird – und dann sicher mit ihm auch die Leitkultur oder Gehört der Islam? oder beides und noch mehr. Die Einwanderungsland-Frage dagegen ist wohl erledigt: bei 25% Einwohnern mit Migrationshintergrund war sie einfach nicht mehr brauchbar.
Lustigerweise hat Friedrich Merz dann bald eine weitere Frage im gegebenen Zusammenhang aufgeworfen, nämlich die Asylfrage: Sollten wir nicht das (noch relativ großzügige) deutsche Asylrecht ändern? Auch darüber ist, in den Neunzigern des vergangenen Jahrhunderts, schon intensiv diskutiert worden, und es kam tatsächlich zu gravierenden Einschnitten ins Asylrecht.
Jetzt hatte Merz allerdings kein Glück mit diesem Vorstoß – fast niemand fand ihn gut. Also werden wir doch bald wieder über die Leitkultur diskutieren müssen. Das wäre auch gar nicht so schlimm, weil die Frage wirklich interessant sein könnte. Nur dass es wenig Spaß macht, so interessante Fragen mit Politikern zu diskutieren, denen diese Fragen an sich völlig wurst sind – sonst würden sie ja nicht so leicht von einer zur anderen hüpfen. Auffällig ist auch, dass die Fragen etwas ziemlich Saisonales haben: sie werden immer nur während eines Wahlkampfes in Bund oder Ländern oder irgendeiner Kandidaten-Kür für Parteiämter auf die Tagesordnung gesetzt. Friedrich Merz z.B. will gerade CDU-Vorsitzender werden, daher die Asylfrage.
Ein netter Zufall ist, dass im Zitat gerade die beiden Wörter gemeinsam vorkommen, die im Hinblick auf „Verbalisierung“/„Nominalisierung“ am fehlerträchtigsten sind: Aufenthalt und zurückkehren. Wissen Sie, wo das Problem liegt?
Autor und Werk
Irgendeine „Bund-Länder-Kommission“ soll das laut Tony Judt im Jahr 1977 zu Papier gebracht haben. Damals waren SPD und FDP an der Regierung – also nicht die Parteien von Friedrich Merz.
Loesung
Der Aufenthalt, aber sich aufhalten (nicht aufenthalten). Zurückkehren, aber die Rückkehr (also nicht Zurückkehr).
-> ATL