Ein Schlüsselbegriff der westlichen Kultur.
Unter Kultur kann man ziemlich Verschiedenes verstehen. In Lehrwerktexten geht es gewöhnlich um die Alltagskultur, von Mittagsschlaf bis Internet, von Essgewohnheiten bis Erziehung, um alles, was uns im täglichen Leben an Sitten und Gebräuchen, an Regeln des Umgangs und Formen der Kommunikation begegnet. Um alles Mögliche, könnte man auch sagen.
Was in den Lehrwerken und im Unterricht fast gar nicht (mehr) vorkommt, ist dagegen die „Hochkultur“, die Welt der Dichtung und Philosophie, der Musik und der Malerei, der Religion und der Wissenschaften. Von Martin Luther, dem Religions-Reformator, erfährt man selten etwas, von Inhalt und historischer Bedeutung seiner Reformation gar nichts. Über das Leben von W. A. Mozart liest man vielleicht ein paar Zeilen, aber es käme keinem DaF-Lehrer in den Sinn, einer Mozart-Arie fünf Minuten Grammatiktraining zu opfern. Und man kann ja auch darüber diskutieren, welcher Nutzen aus dieser Art von Kultur-Vermittlung zu ziehen wäre.
Es gibt aber wenigstens zwei Themen aus diesem hochkulturellen Bezirk, deren Behandlung meiner Meinung nach obligatorisch sein sollte. Das eine ist das Leben und Werk von J. W. Goethe, um den es aber schon in diesem Beitrag geht. Wer in Deutschland lebt und von Goethe wirklich gar nichts weiß – das ist das Fazit dort -, der wird nicht wirklich als „Kulturmensch“ behandelt werden; wobei die Hauptverantwortung den Unterricht, vor allem auch den DaF-Unterricht, trifft.
Und das andere Thema ist die Aufklärung. Wer nichts von der Aufklärung weiß, weiß wirklich zu wenig, nicht nur über Deutschland, oder über den „Westen“, der sie hervorgebracht hat, sondern über die Welt – und vielleicht sogar über sich selbst.
Aufklärung ist der zentralste aller Schlüsselbegriffe der westlichen Kultur, und insofern sich in den vergangenen Jahrhunderten die ganze Welt mit dieser Kultur auseinandersetzen musste, ein Schlüsselbegriff zum Verständnis der modernen Welt. Also: Was ist Aufklärung?
Ein Epochenschema
Die Aufklärung markiert eine bestimmte Phase in der langen Geschichte der europäischen Kultur. Deshalb ist es nützlich, sich zuerst mit den im Westen gebräuchlichen historischen Großepochen vertraut zu machen. Das sind nämlich: Antike – Mittelalter – Neuzeit. Man kann die relevanten Daten ganz gut behalten, wenn man sich einprägt, dass das Mittelalter um 500 n.Chr. beginnt und etwa tausend Jahre dauert – die Neuzeit also um 1500 anfängt.
Sicher kennen Sie auch ein paar der Ereignisse, die dazu berechtigen, gerade um die Mitte des vergangenen Jahrtausends eine neue Epoche, eben eine Neuzeit, anzusetzen. Damals war ja gerade der Buchdruck erfunden worden; die Portugiesen waren schon weit in den Atlantik hinein vorgestoßen, Kolumbus schaffte dann den Sprung nach Amerika; im Osten eroberten die Osmanen das alte Konstantinopel. Und ein sehr wichtiges Ereignis der Kultur- bzw. Religionsgeschichte dieser Zeit ist die oben erwähnte Reformation. Anfang des 16. Jahrhunderts begründete ein deutscher Mönch, eben Martin Luther, eine neue Religion bzw. eine neue Version des Christentums: den Protestantismus. Dieser Vorgang inklusive der nachfolgenden religiösen Umwälzungen wird eben als Reformation bezeichnet.
Diese Reformation war eine Art Modernisierung, eine Anpassung des damals ja schon sehr alten Katholizismus, an die Umstände der Zeit. Ihre wichtigste Leistung war, dass sie dem einzelnen Menschen größeren Freiraum gegenüber der Institution Kirche verschaffte und dadurch das Individuum stärkte. Im katholischen Mittelalter entschied allein die Kirche darüber, was der wahre Glaube ist. Jetzt sollte jeder sich durch Lektüre der Bibel sein eigenes Urteil bilden können.
Das führte dazu, dass es schon bald nicht nur eine neue protestantische Kirche gab, sondern verschiedene Richtungen, „Konfessionen“, Sekten … Diese bekämpften sich manchmal gegenseitig und lagen natürlich grundsätzlich im Streit mit den Katholiken. So kam es im 16. und 17. Jahrhundert zu furchtbaren Religionskriegen. Am schlimmsten betroffen war Deutschland, das einen schrecklich opferreichen „Dreißigjährigen Krieg“ erleben musste. Als dieser im Jahr 1648 zu Ende war, war man in Europa kriegsmüde geworden. Zumindest sollte erreicht werden, dass nicht mehr die Religion Anlass für kriegerische Auseinandersetzungen war. Dies war schon ein erster Schritt in Richtung auf die Aufklärung, die dann gegen Ende des Jahrhunderts langsam einsetzt.