Ich weiß nicht genau. Ich weiß nur, das telc THE European Language Certificate ist. Das hat uns unsere nette von telc beauftragte Schulungsleiterin erzählt. Schmunzelnd. Wir auch. Obwohl man dann eigentlich thelc sagen müsste.
Aber sonst weiß ich nichts von telc. Ich weiß nicht, wer, wo und wie telc ist, und am allerwenigsten: warum telc ist.
Nein, ganz richtig ist auch das nicht. Ich weiß, was telc für meine KollegInnen ist. Gott. Oder knapp darunter. „Telc sagt ja, dass …“ – „Die von telc wollen ja gar nicht, dass …“ Zum Beispiel dass man so viele Modelltests macht. Dabei haben wir nur deshalb so viele gemacht, weil gewisse telc-Prüfungen zwar auch nach zehn Modelltests nicht zu schaffen sind – aber ohne diese erst recht nicht.
Und wenn man die Tatsache begrüßt, dass die DaF-Welt heute auf Prüfungen ausgerichtet ist wie die Christenwelt aufs Jüngste Gericht, ist die telc-Apotheose gar nicht so unpassend. Sollte man aber nicht begrüßen.
(Ich habe in Berlin in einer Schule angefangen, die ihre TeilnehmerInnen während der Kurslaufzeit überhaupt keine Prüfungen absolvieren ließ; trotzdem hat ein guter Teil alle Sprachhürden vor der Uni genommen. Dann wurden erst eigene Prüfungen eingeführt, und der Unterricht bekam eine merklich andere Ausrichtung, dann ging man zu telc über, und der Unterricht bestand aus nichts anderem mehr als Prüfungsvorbereitung. Das nur als Anmerkung für Jüngere, die sich wahrscheinlich ein Leben ohne telc nicht mehr vorstellen können. Gibt es aber, und es ist kein schlechteres.)
Sonst weiß ich praktisch nichts über telc, außer dass es sich um einen Verein von Sprachbürokraten handeln muss, der sich dermaßen in seine hundertseitigen Konvolute von Niveaubeschreibungen verstiegen hat, dass ihm jeglicher Blick auf das alltägliche DaF-Geschehen in den Niederungen, jeglicher gesunde Menschen- und Sprachverstand beim Entwickeln von Prüfungen, jegliches Gespür für tatsächliche Kommunikationsabläufe abhanden gekommen ist.
Zu Letzterem. Wenn ich in einer schriftlichen Prüfungsaufgabe vorgebe, dass der Beschwerdebriefschreiber mit dem Gericht drohen soll, wenn seine Forderung nicht erfüllt wird, was tut man dann, wenn man sich oder jmdn auf die Prüfung vorbereitet? Man lernt bzw. bringt bei zwei, drei schöne Sätze wie:
Sollten Sie meinen Forderungen nicht binnen 14 Tagen nachkommen, sehe ich mich gezwungen usw.
Die schöne Konstruktion steht natürlich in keinstem Verhältnis zum sonstigen Niveau der Schreibenden, aber auswendiggelernt ist eben mal auswendiggelernt.
Mit einer solchen mehr als erwartbaren Reaktion rechnen, hat auch mit Kommunikation zu tun. Offensichtlich hatte THE usw. aber damit keineswegs gerechnet, denn in späteren Versionen finden wir welche Inhaltsvorgabe?
Fordern Sie Ihr Geld zurück, ohne gleich mit dem Anwalt zu drohen. (Sinngemäß.)
Also hatte offensichtlich jede oder jeder zweite Beschwerdebriefschreiber die gleichen Floskeln eingearbeitet. Und als Reaktion auf dieses überraschende Verhalten wollen die von telc jetzt nicht mehr, dass wir unseren Teilnehmern beibringen, wie man mit dem Anwalt droht. Wie wäre es dann damit?
Ich möchte Sie – und zwar ohne gleich mit dem Anwalt drohen zu wollen – bitten, mir so bald wie möglich mein Geld zurückzuerstatten.
Und dass Briefschreiber, die eine ausführliche Schilderung der zur Reklamation führenden Vorkommnisse erhalten, im Brief dann auf diese zurückgreifen, scheint auch nicht im Erwartungshorizont der Prüfungsmacher gelegen zu haben. „Sie waren mit dem Essen nicht zufrieden, es war sehr laut, der Strand war weit entfernt usw.“: so viel Fantasie, noch mehr Mängel zu erfinden, haben nun mal nicht alle Prüflinge. Also: „Ich war mit dem Essen nicht zufrieden leider es war sehr laut und auch war der Strand weit entfernt.“ Super – Punkt 3 erledigt.
Aber um die B2 Textproduktion geht es nicht allein, sondern vor allem um C1. Was ich noch über telc weiß, ist nämlich, dass ich im kommenden Jahr jeder/m deutschen MuttersprachlerIn, die meine Wege kreuzen, den Prüfungsteil Leseverstehen aus der telc C1 mit Bitte um Erledigung innerhalb von 90 Minuten in die Hände drücke, die Resultate in eine Tabelle eintrage und mit diesen (Prognose: 0 von 10 erreichen 100%, 3 fallen durch) so lange gegen THE usw. zu Felde ziehe, bis in diesem Land eine kompetente und kritische DaF-Öffentlichkeit entstanden ist, die sich nicht von hirnlosen Bürokratiemonstern frohe Botschaften erwartet, nicht jeden Prüfungs- und sonstigen didaktischen Unfug akzeptiert, nur weil er in großen Verlagshäusern oder europäisch abgestimmten Expertenkreisen ausgebrütet wurde.
Übrigens war unsere Seminarleiterin wirklich sehr freundlich und kompetent und hilfreich. Sie hat uns einen – seither unter Kollegen wieder und wiederholten Spruch – mit auf den Weg gegeben. „Wenn ihr in der mündlichen Prüfung nicht ganz sicher seid“, so meinte sie sinngemäß, „ob nun alle 78 Kriterien für Erreichen der Niveaustufe B2 erfüllt sind oder nicht …“ Tja, was tun wir dann? Nachdem wir uns mit solchem Eifer die ich weiß nicht wie viele Kriterien draufgeschafft haben? Was rät uns Muttergottes telc in diesem Fall?
„Dann fragt euch doch einfach mal: Ist das B2? Oder ist das nicht B2?“
Das ist telc.