Wir sind in einer B2-Prüfung, Teil Leseverstehen, Aufgabe „Sprachbausteine 2“, bei allen Lernenden zu Recht gefürchtet, weil offenbar von Leuten gemacht, die sich keinen Deut um Niveau-Angemessenheit von Prüfungsfragen scheren, wahrscheinlich nicht einmal imstande wären, Kriterien dafür anzugeben, und solche, wenn es sie gäbe, jedenfalls wegen mangelnder Einsicht nicht anzuwenden wüssten.
Aufgabe 31:
25 Milliarden SMS wurden im vergangenen Jahr in Deutschland von Handy ….31… Handy verschickt.
Ohne Zögern setzt der Muttersprachler zu ein. Allerdings ist nicht leicht zu sagen, ob er die Verwendung der Präposition in diesem Kontext von einer allgemeinen Regel ableitet oder ob er eine Art phraseologisches Schema „von x zu y“ (von Mensch zu Mensch …) heranzieht. Wenn nicht Letzteres, ist schwer zu erklären, weshalb nicht auch die Auswahloption an möglich sein sollte (Botschaft an Handy (ver)schicken). Wenn es sich aber um etwas phraseologisch Fixiertes handelt, hat es auf Niveau B2 nichts verloren, sondern gehört, angesichts der Masse solcher Wendungen, in die Oberstufe.
Aufgabe 32
… nicht einmal die US-Amerikaner kommen auch nur annähernd …32… das deutsche SMS-Fieber heran.
Man muss also das „Verb mit Präposition“ herankommen an in der Bedeutung „ein von anderen erreichtes Niveau ebenfalls erreichen“ kennen. Muss man das? Auf B2? Auf B2 muss man denken an, liegen an und vielleicht noch ein paar andere Verben mit Präpositionalobjekt an kennen, aber ganz sicher nicht ein absolut niederfrequentes herankommen an, das ebenfalls in die Oberstufe gehört. Aus irgendwelchen schon vorauszusetzenden Regeln, von denen es in diesem Bereich ohnehin kaum welche gibt, ist die Präposition auch nicht abzuleiten. Die Aufgabe hat in einer B2-Prüfung nichts verloren.
Aufgabe 35
… klingen sie vielleicht nicht mehr so romantisch wie früher, dafür aber ….35…. cooler, dynamischer und weltweit vernetzter.
Die korrekte Lösung ist natürlich umso, nur: wie soll ein Lerner aus B2 das wissen? Wollen Sie mal versuchen, dieses umso zu erklären? Daran würden 99 von 100 KollegInnen scheitern, und wie kann man was in einer B2-Prüfung abfragen, was man selbst nicht versteht, nicht erklären kann? Können Sie mir ein einziges Lehrbuch bis B2 zeigen, in dem diese Struktur „nicht so x, dafür umso y-er“ behandelt wird?
Im gleichen Prüfungsteil noch zwei weitere zumindest fragwürdige Lücken, lassen wir eine fallen und sind damit bei 40% unlösbarer (oder nur dank Glück und Zufall zu lösender) Aufgaben in einer Prüfung, die mit 60% richtiger Lösungen bestanden ist. Ich wundere mich, dass die telc-Verantwortlichen sich wundern, dass die Erfolgsquoten in ihren Prüfungen sich gelegentlich dem einstelligen Bereich annähern. Und dass man so was noch ernstnehmen kann und vor allem: akzeptiert. Schließlich geht es hier um Zeit, Geld, und vielleicht Glück oder Unglück von Menschen.
Und dass diese Menschen, nämlich die zu Prüfenden, so etwas hinnehmen, verweist auch wieder einmal auf die ganz besonderen Umstände im DaF-Gewerbe. Wären deutsche Schüler solchen Schikanen ausgesetzt, gäbe es massenhaft Ärger für die Prüfungsverantwortlichen. Würde der DaF-Lehrkörper nicht zu zwei Dritteln aus für die Tätigkeit Unqualifizierten bestehen, die schon aus Gründen mangelnder Kompetenz nicht wagen, sich in solchen Fragen zu Wort zu melden, dann würden sich nicht DaF-Lehrbuchautoren und Prüfungsmacher so viel Pfusch erlauben. Es gibt ja keine „kritische Öffentlichkeit“, vor der man sich zu rechtfertigen und vielleicht ein bisschen zu fürchten hätte. Tun wir unser Bestes, damit sich das ändert.
Die Aufgaben stammen aus dem von telc vertriebenen Modellsatz 2 zur B2-Prüfung.